Die Diagnose

In der 13. SSW hieß es unser Kind zeigt Auffälligkeiten. Es wurde eine Nackentransparenz von über 6mm gemessen, außerdem war nur eine Nabelschnuraterie nachweisbar. Das konnte alles heißen. Die Ärzte rieten uns zu weiterführenden Untersuchungen. Am folgenden Tag wurde eine Choriozottenbiopsie  durchgeführt, aber außer großen Schmerzen hat das nichts gebracht. Der Arzt kam nicht an die Plazenta heran, um etwas davon abzunehmen. Sie wollten dadurch Zellen des Babys zur Untersuchung bekommen. Dann mussten wir drei Wochen warten bis genug Fruchtwasser zur Fruchtwasseruntersuchung da war. Die Amniozintese wurde unter Ultraschallkontrolle durchgeführt. Unser Kind hatte sich normal weiterentwickelt. Wir hofften dass doch alles in Ordnung ist. Dann mussten wir wieder eine Woche auf das Ergebnis warten. Freitags habe ich in der Genetik angerufen um nach dem Ergebnis zu fragen. Ich hoffte so er würde sagen alles ist in Ordnung aber er sagte nichts , er wisch meinen Fragen aus und meinte er könnte das am Telefon nicht erklären und die Ärztin sei nicht mehr da. Wir mussten also bis Montag warten, drei endlose, schlaflose Nächte, bis wir zur genetischen Beratung fahren konnten. Die Fruchtwasseruntersuchung hat eine Chromosomenanomalie ergeben. Luca hatte Trisomie 18. Damit sind viele verschiedene körperliche und organische Fehlbildungen verbunden, außerdem wäre er schwer geistig behindert. Er hätte niemals gelacht, mich niemals angesehen oder irgend ein Wort gesagt. Er hatte eine freie Trisomie, d.h. alle Zellen waren geschädigt. Wir haben es nicht vererbt, es war eine Laune der Natur. Mit einer Chance von etwa 1:8000 hat es ausgerechnet meinen Sohn getroffen. Ich frage mich immer wieder warum, warum er?  Nach der genetischen Beratung wurde noch mal eine Ultraschalluntersuchung gemacht um den Befund zu bestätigen. Die Untersuchung hat fast eine Stunde gedauert und der Arzt hat unzählige Fehlbildungen gefunden. Ich habe seine Worte gehört aber gesehen habe ich Luca mit dem Herzen und ich fand ihn wunderschön.

Gestorben wäre er wahrscheinlich an seinem viel zu schwachen Herz. Der Arzt meinte dass er seine Geburt nicht überleben wird, wahrscheinlich stirbt er schon vorher in mir. Wenn er die Geburt überlebt hätte, hätte die Intensivmedizin ihn vielleicht noch ein paar Stunden, vielleicht auch Tage am Leben erhalten können, aber dieses Leid wollte ich ihm und wahrscheinlich auch uns ersparen also haben wir uns zum Abbruch entschieden. Die schwerste Entscheidung, die ich je zu treffen hatte. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und habe mich stark beeinflussen lassen. Ich weiß er hatte keine Chance, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Ich fühle mich schuldig. Ich habe ihn so geliebt aber ich konnte ihm nicht zum leben verhelfen sondern nur helfen zu sterben.

 

Die Geburt

Die ganze Situation im Krankenhaus, nichts ist so gelaufen wie ich mir das vorgestellt habe.

Die Wehen wurden eingeleitet und wenn es soweit ist sollte ich in den Kreissaal, um meinen Sohn zur Welt zu bringen, wo die Hebammen auf diese Situation vorbereitet sind. Aber der Kreissaal war überfüllt und ich musste in dem Zweibettzimmer auf der Station bleiben. Ich wurde darüber erst in letzter Minute informiert. Auch wer die Ausschabung vornimmt war bis dahin unklar. Ich war so fertig. Ich wollte unbebingt den Oberarzt der die ganzen Untersuchungen durchgeführt hat. Er war nett und hat mich irgendwie verstanden. Ich habe etliche Krankenschwestern gefragt bis sich endlich eine aufmachte um ihn zu holen. Ich habe nur noch geweint. Seit der Einleitung sind schon 15 Stunden vergangen. Die Wehen haben ca. 3 Stunden nach der Einleitung eingesetzt. Dann kam er. Ich habe kaum ein Wort herausgebracht, aber ich war froh ihn zu sehen. Ich bekam Medikamente die die Geburt voranbringen sollten und er sorgte dafür dass meine Zimmernachbarin endlich hinausgebracht wurde. Ich war gerade zwei Minuten allein, da ist er geboren. Ich habe meinen Sohn gesehen, aber ich stand so unter Schock. Jetzt bedauere ich dass ich nicht die Kraft hatte ihn in die Hand zu nehmen und mit ihm zu sprechen. Ich habe ihn nur kurz angesehen und mit meinem Finger über seinen kleinen Körper gestreichelt. Warum war niemand da? Ich hätte so dringend Unterstützung gebraucht. Ich kann mich nicht an ihn erinnern, über meiner Erinnerung hängt ein dicker Schleier.

Danach kam ich direkt in den OP. Daran habe ich auch kaum Erinnerungen. Stunden später bin ich aufgewacht, allein und völlig leer.

Dann kam mein Freund, bei der Geburt wollte er nicht dabei sein. Er wollte unseren Sohn nicht sehen, das musste ich akzeptieren, auch wenn ich ihn so sehr gebraucht hätte. Er hat mich in den Arm genommen. Er war auch fertig. Aber ich hatte keine Gefühle mehr. Ich war so leer und alleine und irrgendwie weit weg. An nächsten morgen habe ich auf eigenen Wunsch das Krankenhaus verlassen.

Anfangs fiel es mir fast leicht alles zu verdrängen. Ich konnte nicht mal richtig weinen. Ich stand wohl immer noch unter Schock und gefühlsmäßiger Betäubung. Doch langsam kommt alles hoch. Er fehlt mir. Es tut so weh. Ich weis nicht wie es weitergehen soll. Wie soll ich nur ohne ihn leben???

 

Ein Jahr später:

 

Jetzt ist schon über ein Jahr vergangen. Ich habe gelernt mit meinem Sohn und doch ohne ihn zu leben. Er ist in unser Leben integriert, er gehört einfach zu mir, zu uns. Heute kann ich über ihn sprechen ohne zu weinen, ja ich kann sogar mit ihm lachen. Noch vor einen Jahr dachte ich die Welt würde zerbrechen und ich könnte nie wieder lachen. Heute weis ich das Leben geht weiter, auch wenn es nie mehr so sein wird wie früher. Luca hat mein Leben bereichert, ich möchte ihn um  nichts in der Welt missen. Ich liebe ihn.

 

Luca, ich liebe dich so sehr!

 

 

 

 

 

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